Mittwoch, 24. Mai 2017

Yogis sind auch nur ganz normale Menschen - die meisten zumindest

Als Yogini oder Yogi hast du schon hin und wieder mal deinen Ruf weg. Und ganz ehrlich, auch ich dachte früher, was sind das für seltsame Menschen auf irgendeinem eigenartigen Selbstfindungstrip, die in ihren Yogaräumen obendrein noch ein Bild von ihrem Guru anhimmeln und lächelnd vor sich hinommmmmen. Jahre später, kann ich so manches nachvollziehen. Ich hab auch gelernt, dass es Yogis und Yogis gibt. Wenn du dich also entschließen solltest, mit Yoga zu beginnen und du auf einen andersartigen Yogalehrer triffst, der so überhaupt nicht deins ist, dann suche weiter. Es gibt im Yoga-Business nämlich nichts, was es nicht gibt. Yoga zu praktizieren, bedeutet für mich, nicht nur Asanas zu üben, sondern vielmehr die gesamte Bandbreite auszuschöpfen. Mal wieder den Spontanatem wahrzunehmen. Ja, sag mal, wie oft nimmst du dir Zeit, deinen Atem zu beobachten, so ganz unauffällig wie ein Detektiv? Wie hammermäßig Klasse ist es, nachzuspüren, was die Vibration eines Klangs – also wenn du z. B. das Om tönst – in deinem Körper bewirkt? Ein absolutes Erlebnis ist es, während Pranayama bewusst den Atem zu lenken und hey, mal wieder spüren, was in deinem Körper so abgeht. Die meisten erschrecken zutiefst, wenn sie Prana wahrnehmen, wenn Energie bewusst zu fließen beginnt. Ganz wunderbar finde ich, wenn dir nach deiner Yogapraxis so alles gleichgültig geworden ist. Ein unbeschreibliches Gefühl, für das es sich immer und immer wieder lohnt auf die Matte zu gehen.



Aber zurück zum eigentlichen Thema. Ich merke oft, wie ich so ganz süffisant belächelt werde, wenn Bekannte und Freunde hören, dass ich Yoga praktiziere. Da haben sie ein Weltbild vor Augen und dann komme ich und sorry, zerstöre wohl deren Weltbild. Das geht schon mal auf der optischen Ebene los. Ich kann alles andere als einen Gazellenkörper vorweisen und ebenso wenig kann ich mich wie ein Schweizer Taschenmesser zusammenklappen und das Bein hinter den Kopf stecken. Tja, aber dafür bin ich gut geerdet. Ja, so ist es das Leben, man kann eben nie alles haben. Im Yoga geht es auch nicht darum, gut auszusehen oder möglichst gelenkig zu sein. Es geht darum, sich zu fühlen und zu spüren. Wahrzunehmen was ist ohne zu werten. 

Dann ist da vielleicht auch noch die Vorstellung von der Esoterikschiene, die ich dann auch nicht bedienen kann. Wahrscheinlich falle ich unter die Kategorie Durchschnittsyogi, relativ normal, dennoch etwas andersartig. Klingt irgendwie langweilig. Relativiert sich aber wieder durch eine Aussage eines meiner männlichen Yogis der meinte, „irgendwie bist du total abgefahren und dann doch wieder ganz normal“. Puh, hab ich nochmals Glück gehabt, denn langweilig will man ja irgendwie auch nicht sein.  

Selbst in sozialen Netzwerken merke ich, dass sich Menschen lieber sicherheitshalber von mir als Yogini distanzieren. Denn logisch wäre doch eigentlich, dass mir z. B. auf Instagram die Menschen folgen, die ich persönlich kenne, tun sie aber oftmals nicht. Mein Instagram-Account schimpft sich yoga.by.bettina, aber ich poste auch nicht ständig Yoga-Bilder. Stellt sich nun die Frage, warum nur will jemand absolut nicht mit Yoga in Verbindung gebracht werden. Hat er oder sie gar Angst sich selbst zu entdecken?

Und dann – uaaaahh – ich wohne in einem kleinen 900-Seelen-Dorf. Man kennt sich!!!!! Jahrelang war ich die, die im Sportverein bespaßt und Menschen zum Schwitzen gebracht hat. Ja und nun übe ich Yoga. Ich kann mich noch gut erinnern als ich vor einigen Jahren zu meinen Sportlern sagte und heute üben wir mal Yoga. Da muss ich echt immer noch grinsen wenn ich daran denke. Ich habe da so ein Abschlussritual, bei dem ich sage „Voller Respekt und Achtung verneige dich im Inneren vor dir selbst und im Außen verneigen wir uns voreinander“. Die haben mich angeschaut, als wäre ich von einem anderen Stern. Ich hätte damals sagen sollen, ja ich bin Yoda. Das wäre der Brüller gewesen. Das Ommmen gab ihnen den Rest.



So ein Akt der Transformation ist nicht ganz einfach. Wenn du es gewohnt bist, gut besuchte Sportstunden zu haben und nun auf Yoga umschwenkst, dann musst du erst mal damit zurecht kommen, dass dich Heerscharen verlassen. Eine von mir sehr geschätzte Yogalehrerin gab mir damals Halt, in dem sie mir zusprach „Ja, dich werden einige Menschen in deinen Gruppen verlassen, aber es werden viele neue dazukommen“. So war es dann auch. Aber zunächst wirst du ja erst mal verlassen und das fühlt sich absolut nicht gut an.

Mittlerweile unterrichte ich nur noch Yogaklassen und bin so unsagbar glücklich und dankbar für diese Menschen, die sich sogar nach der Stunde bei mir bedanken. Das hat im Sport niemals jemand getan und schlecht hab ich das bestimmt auch nicht gemacht. Einige der Sportler sind den Yogaweg mit mir gegangen und sind bis heute treu an meiner Seite. Es erfüllt und freut mich zu sehen, wie sich diese Menschen entwickelt haben. Yoga wirkt halt nicht nur körperlich, sondern auch auf der mentalen Ebene. 

Warum schreibe ich das denn nun hier? Vielleicht geht es dir ja auch so, wie mir vor vielen Jahren. Irgendwie reizt dich der Yoga, du hast aber mal eine schräge Erfahrung gemacht und dich seither nicht mehr ran getraut. Suche weiter, dein Yogalehrer oder deine Yogalehrerin wartet da draußen auf der großen weiten Welt noch irgendwo auf dich. Meine Erfahrung ist, dass manchmal gerade dass, wovor man sich lange Zeit versucht zu distanzieren, das ist, was einen magisch anzieht. Lass das Leben etwas magisch werden, das hat durchaus Charme. 

Das NORMALE manches Mal mit etwas VERRÜCKTHEIT anzureichern hat durchaus seine Qualitäten – probier es aus!!!! Werde ein ganz normaler Yogi und pfeif auf das, was andere von dir denken.



Namaste
Bettina